Aufmüpfiger

Das Foto zeigt den streitbaren Bildhauer Alfred Hrdlicka mit Stefan Gergely anlässlich einer Kunstausstellung mit dem Titel „Konfrontation“ im Schlossquadrat.

Inhalt:

  • Sind Aufmüpfige und Querköpfe nur getarnte Querulanten?
  • „Wir werden uns am Skikurs waschen, wir sind ja keine Säue“
  • Ordinarien gegen Marxisten
  • Es lebt fast jeder Journalist, von Skandalen und von Zwist
  • Als Wirtschaftskämmerer gegen Zwentendorf . . .
  • . . . und für Bio-Richtlinien
  • 1987: Abgang vom ORF aus Protest
  • 1997: Der „Sperrstunden-Töter“
  • 1999: Mit dem Schalk im Nacken
  • 2000: Künstlerische Konfrontation
  • 2006: Aktion Stephansplatz
  • 2010: Keine Mauern durchs Lokal verordnen!

Sind Aufmüpfige und Querköpfe
nur getarnte Querulanten?

Jede offen und demokratisch verfasste Gesellschaft lebt davon, dass möglichst viele Menschen aktiv an ihr teilhaben, sich für eine Sache engagieren oder gegen begründbaren Missstand auftreten.

Schweiger, Mitläufer und Duckmäuser schaden. Sie ecken zwar seltener an als die den Mund aufmachen.

Aber ein mutiger Querdenker, der mit guten Argumenten beispielsweise den sogenannten Mainstream hinterfrägt, ist mir allemal lieber als ein feiger Hasenfuß – auch wenn die Differentialdiagnose zwischen kritischen Querdenkern und fanatischen Querulanten nicht immer einfach ist.

Die letztgenannten können sich zwar auf Plattformen sogenannter Social Media faktenbefreit in Szene setzen und massenweise Follower generieren.

Doch spätestens die schrillen Auftritte von Coronaleugner:innen während der Corona-Pandemie sollten klar gemacht haben, dass man die veröffentlichte Deutungshoheit nicht den Verschwörungsphantasten überlassen darf, und das schon gar nicht, wenn es um Maßnahmen zum Schutz der großen Mehrheit der Bevölkerung geht, die wissenschaftlich zumindest sehr evident sind.

Dasselbe gilt für Asphaltkleber:innen & Co, die den Klimaschutz eher bremsen als ihn befördern dürften.

Ja, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sind hohe Güter. Aber inwieweit militante Aufrufe zur Gefährdung anderer (oder zum Boykott von Maßnahmen, die andere vor Gefahren schützen können) durch die Meinungsfreiheit gedeckt bleiben sollen, darf auch angesichts zahlloser Hassreden im Internet hinterfragt werden; desgleichen die Frage, ob und wieweit das Strafrecht zur Abwehr solcher Auswüche ein taugliches Instrument ist.

Jede Freiheit des einen endet bekanntlich dort, wo die jeweilige Freiheit des anderen beginnt. Dieser Grundsatz darf nicht kampflos aufgegeben werden. Er gilt auch dann, wenn die Grenzen im Einzelfall verschwommen wirken mögen.

Das Wort „aufmüpfig“ ist in diesem Kapitel nicht als verbockt oder trotzig gemeint, sondern im Sinne von beharrlich, unangepasst, mit Zivilcourage. Zu dieser Haltung passt auch der Titel eines Buches von VP-Politiker Erhard Busek: „Mut zum aufrechten Gang“.

Manche meiner „aufmüpfigen“ Aktionen zeigten zwar keinen Erfolg. Aber das war für mich keine Niederlage.

Denn Macht und Mehrheit akzeptieren zu müssen, entwertet ja nicht Mut und Motivation, „gegen den Strom zu schwimmen“ und für Änderungen einzutreten, solange es dafür nachvollziehbare Argumente oder Gründe gibt.

Als Jugendlicher entsprang meine Aufmüpfigkeit zunächst dem Widerstand gegen Autoritäten.

Als Unternehmer wandte ich mich gegen Einschränkungen der im Staatsgrundgesetz garantierten Freiheiten, den Erwerb und das Eigentum betreffend (Art. 4 bis 6 StGG).

Erst spät entdeckte ich, dass man auch mit Humor „aufmüpfig“ sein kann.

„Wir werden uns am Skikurs waschen,
wir sind ja keine Säue“.

Unser Klassenvorstand in der Unterstufe des Rainergymnasiums in Wien-Margareten lehrte Deutsch und Turnen. Sein Unterricht war gespickt von Schimpfwörtern und persönlichen Beleidigungen. Ich beschloss im zarten Alter von 13 Jahren, sie schriftlich zu dokumentieren. Nachstehend ein Auszug:

Eines Tages zeigte ich die Mitschrift meinen Eltern. Die Mutter nahm sie und legte sie der Schulleitung vor.

Hat es mir geschadet? Im Zeugnis des Schuljahres 1963 / 64 bekam ich in Betragen ein „sehr gut“ und in Leibesübungen ein „gut“ (was mich im Rückblick positiv überrascht, denn für Sport habe ich weder Talent noch Neigung). Warum in Deutsch ein Dreier stand, kann ich nicht mehr nachvollziehen; es war mir aber nicht wichtig, zumal ich die Schule ohnehin wechseln wollte.

Ob meine Mitschrift in der Schule was bewirkt hat, weiß ich nicht. Womöglich wurde das „Tagebuch der Lehrerflüche“ schubladisiert. Autorität der Lehrer und Gehorsam der Schüler gehörten damals noch zum Alltag in den Regelschulen – wer aufmuckte, galt als unerzogener Frechling und riskierte einen Schulverweis.

Immerhin vermag die Anekdote eine kritische Haltung anzudeuten, der ich auch als Erwachsener treu geblieben bin. Nicht selten wurde ich dafür als vorlaut, widerborstig oder stur kritisiert.

Ordinarien gegen Marxisten

Gleich nach der Matura begann ich das Chemiestudium an der Universität Wien. Die 1968-er Bewegung war in vollem Gang und löste auch an den Hochschulen einen Gesinnungswandel aus.

Die meist erzkonservativen Ordinarien wehrten sich gegen vermeintlich antiautoritäre Umtriebe mancher Zöglinge und versuchten, die neu gegründeten Studienkommissionen zu hintertreiben, weil diese – horribile dictu – „drittelparitätisch“ besetzt waren:

Dass Studenten bei Lehrplänen mitbestimmen sollten, war für die meisten Inhaber von sogenannten Lehrstühlen unfassbar.

In dieser Phase des Umbruchs suchte ich nach politischer Orientierung. Lebhaft in Erinnerung habe ich die im Jahr 1972 gegründete Gruppe Revolutionärer Marxisten (GRM, sie erhielt bei der Nationalratswahl 1975 1.024 Stimmen). Ihre Anhänger wollten den Klassenkampf auch auf akademischem Boden entfachen.

Das hielt ich für fehl am Platz, weil ich in Anlehnung an Max Weber der Meinung bin, dass die Lehre rein der Sache zu dienen habe: Politik gehört nicht in den Lehrsaal.

Außerdem waren inhaltliche Diskussionen mit den GRM-lern genauso fruchtlos wie mit der erzkonservativen Fraktion der Uni-Professoren.

Gleichwohl war nicht zu leugnen, dass die Strukturen der heimischen Hochschulen verkrustet und Änderungen überfällig waren.

Allerdings konnte mich keine der politisch aktiven Studentenfraktionen mit ihren Programmen überzeugen. Auch später war ich niemals Mitglied einer politischen Partei.

Ich kandidierte daher als Parteifreier und wurde bei einer Wahl der Österreichischen Hochschülerschaft in den 1970-er Jahren zum Mandatar der Studienrichtungsvertretung Chemie gewählt. Mein „Programm“ war vorwiegend sachlich, aber kritisch orientiert und grenzte sich explizit von „radikalen Randalierern“ ab.

In dieser Zeit organisierte ich aber auch „Chemikerkonzerte“: Vertreter der Professoren, Assistenten und Studenten musizierten in öffentlichen Veranstaltungen miteinander. Es war ein symbolischer Versuch zur friedlichen Verständigung in der nicht selten aufgeheizten Stimmung bei den Studienkommissionen. Das Bemühen wurde von vielen anerkannt.

Nach dem Doktorat begann ich im pharmazeutischen Unternehmen des Vaters. Das war keine gute Idee, denn die Chemie zwischen uns stimmte im wahrsten Sinn des Wortes nicht.

Mein widerborstiger Entschluss, die Firma bald wieder zu verlassen, war folgenschwer: Ich schmiss einen gesicherten Lebensunterhalt hin, ohne einen Plan B zu haben.

Wenig später begann ich, für das Nachrichtenmagazin profil zu schreiben.

Man lebt ganz gut als Journalist,
von Skandalen und von Zwist.

Für meine Berichte als Wissenschaftsjournalist passt die Überschrift „Aufmüpfiger“ nicht so gut.

Im Nachrichtenmagazin profil wurde ich ja sogar dafür bezahlt, über wissenschaftliche Kontroversen zu berichten und womöglich einen Skandal aufzudecken.

Dabei kamen auch Themen ins Blickfeld wie der umstrittene Krebsverein des Pathologen Dr. Heinrich Wrba: Es bestand damals der Verdacht, dass Gelder aus Erbschaften zugunsten der Krebsforschung zweckwidrig verwendet worden seien.

In Beiträgen wie etwa zum Thema „das freudlose Fressen“ muckte ich gegen den Mainstream der Ernähungslehre auf und wurde von einigen  Experten dafür heftig kritisiert.

Umgekehrt versuchte ich genauso, haltlose Versprechen diverser Scharlatane als das zu entlarven, was sie sind: als Humbug.

Zahlreiche Artikel widmeten sich der damals noch weitgehend unkontrollierten Umweltverschmutzung sowie umstrittenen Bauprojekten wie dem Atomkraftwerk Zwentendorf und dem Donau-Kraftwerk Hainburg.

Zum Thema „Überwachungsstaat Österreich“ schrieb ich im Orwell-Jahr 1984 ein Buch für den Orac-Verlag (siehe Beitrag „Autor“) und zeigte auf, welche Möglichkeiten die moderne Informationstechnik zur Ausspähung und Bespitzelung der Privatsphäre bietet.

Als Kammerangestellter gegen  Zwentendorf . . .

Am 1. März 1978 begann ich – zusätzlich zum Journalistenjob – als Referent für Lebensmittel und Ernährung in der Bundeswirtschaftskammer (heute WKO, siehe den Bericht „Kämmerer“ auf dieser Website).

Vor der Aufnahme in den Kammerdienst war eine Vorstellung bei Generalsekretär Dr. Arthur Mussil zu absolvieren. Die politische Linie der Interessenvertretung war damals klar für die friedliche Nutzung von Atomkraft und daher auch für die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf (damals verwendete man das Kürzel KKW).

Mussil entnahm den Unterlagen, dass ich Chemie studiert hatte und fragte beim Vorstellungsgespräch spontan nach meiner Einstellung zur Kernenergie. Ich antwortete dem Generalsekretär, dass die friedliche Nutzung der Kernkraft ein geeignetes Endlager für ausgediente atomare Brennstäbe voraussetze; ein solches sei jedoch nicht absehbar, deshalb sei ich skeptisch.

Es war klar, dass ich mit dieser Stellungnahme die Ablehnung meiner Bewerbung riskierte. Aber Mussil genehmigte sie.

. . . und für Bio-Richtlinien

Wenig später begann eine interne Diskussion über den biologischen Landbau. Die meisten Wirtschaftskapitäne in meinem beruflichen Umfeld sahen die steigende Popularität der damals aufkommenden Bio-Produkte skeptisch.

Die Sorge war begründet, hatten doch zahlreiche Gesundheitsapostel schon bisher vor der Schädlichkeit industrieller Erzeugnisse gewarnt, den weißen Zucker als Vitamin-B-Räuber und das Auszugsmehl als ungesund verteufelt.

Dass Bio-Produkte als gesund angepriesen wurden, sah man kammerintern als unlauteren Wettbewerb und hielt die Bio-Bauern für Schwindler; chemisch-analytisch lasse sich ja gar nicht beweisen, dass ein Apfel aus biologischem Anbei stamme.

Ich argumentierte als Jungspund gegen meine damaligen Brötchengeber, dass der zunehmende Einsatz von Herbiziden und Pestiziden in der Landwirtschaft kein Renommé für Produkte aus konventionellem Anbau sei und dass man die Bio-Bewegung nicht einfach abwürgen könne (was die Hardliner unter den Wirtschaftskapitänen damals bezweckten).

Mein damaliger Chef, der Jurist Klaus Smolka, wurde nachdenklich. Auch Otto Riedl, Miteigentümer der Firma Manner und Obmann des Süßwarenverbandes in der Kammer, hörte sich meine Argumente an.

Sie beförderten die Erkenntnis, dass gesetzliche Richtlinien für Bio-Produkte eine notwendige Voraussetzung seien, um „Waffengleichheit“ für konventionell und biologisch orientierte Erzeuger herzustellen.

So kam es zur Gründung einer offiziellen Kommission zur Ausarbeitung von Bio-Richtlinien. Vom ersten Tag an war ich mit etwas Stolz und viel Elan dabei.

1987: Abgang vom ORF aus Protest

Für den Hörfunk des ORF moderierte ich in den 1980-er Jahren zahlreiche Beiträge, vor allem die beliebte Live-Sendung „Von Tag zu Tag“, mit Interviews von Experten und mit Hörerinnen und Hörern am Telefon (ihr Nachfolger heißt „Punkt eins“).

Über Jahre hinweg war die Zusammenarbeit im ORF wertschätzend gewesen, wenngleich nicht ohne Intrigen. Aber eines Tages ging das Gerücht um, dass die Honorare aller freien Mitarbeiter im Hörfunk gekürzt werden sollten, und zwar kräftig.

Ein auch von mir unterzeichneter Protest an den damaligen Intendanten Ernst Grissemann brachte kein Ergebnis.

Am meisten ärgerte mich damals eine interne Mitteilung des Intendanten (die händischen Markierungen sind von mir eingefügt):

Ich beendete meine Tätigkeit für den Hörfunk aus eigenem Entschluss.

Dass mein Ausscheiden ein Zeichen von Protest sei, ließ ich im Hörfunk zwar verbreiten, aber es war dem ORF wurscht (wie nicht anders zu erwarten war).

1997: Der „Sperrstunden-Töter“

Seit Mai 1990 war ich als Wirt unternehmerisch aktiv und mit dem Aufbau des Lokals „Schlossgasse 21“ beschäftigt (siehe den Beitrag „Wirt“).

Im Frühsommer des Jahres 1997 stand im österreichischen Nationalrat eine Novelle zur Gewerbeordnung auf der Tagesordnung. Eine Woche vor dem Termin zur Abstimmung sickerte ein Vorhaben durch, das den heimischen Tourismus in Alarmbereitschaft versetzte:

Die Sperrstunde in Gast- und Schanigärten solle auf 20 Uhr verkürzt werden, wurde kolportiert.

Eine Sperrstunde im Sommer noch vor Sonnenuntergang war für mich ein vollkommen unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit.

Ich griff zum Telefon und rief meine Kontaktleute in der Wirtschaftskammer an. Die wollten das Gerücht nicht glauben. Konkrete Vorschläge, was man dagegen tun könne, kamen keine. Es sei ja nur mehr eine Woche Zeit bis zur geplanten Beschlussfassung der Novelle, wurde argumentiert.

In der darauffolgenden Nacht – es war von Mittwoch auf Donnerstag – schlief ich wenig. Im Morgengrauen kam mir eine Idee. Gleich zu Dienstbeginn rief ich neuerlich in der Kammer an und fragte an, ob die Interessenvertretung eine Protestaktion unterstützen würde, wenn ich sie im Alleingang organisierte. Die Antwort kam wenig später und lautete „ja“.

Ich verfasste einen Protestbrief, recherchierte die Nummern aller Fax-Geräte im Bundeskanzleramt und fügte sie in dem Schreiben an (e-mails waren damals noch nicht weit verbreitet).

Mein Ziel war es, den seit kurzem amtierenden Bundeskanzler Viktor Klima mit Protestfaxen zu überhäufen und so einen Meinungsumschwung herbeizuführen.

Am Nachmittag desselben Tages war die Aktion mit dem Fachverband für Gastronomie in der Bundeskammer akkordiert. Mein Schreiben wurde an alle Landeskammern mit dem Ersuchen um breite Weiterleitung an möglichst viele Gastronomen versandt; in einem Begleitschreiben wurden alle Wirte gebeten, das Protestfax an ihre Branchenkollegen weiterzugeben und außerdem Kopien anzufertigen, auf denen die Gäste unterschreiben sollten.

Am Freitag und Samstag in dieser Woche versandte ich zusätzlich hunderte Faxe an alle Gasthäuser und Restaurants aus, deren Nummern ich aus diversen Gastro-Führern abgeschrieben hatte. In Margareten wurden Berge von Kopien in anderen Lokalen verteilt.

Das Ergebnis: Am Montag und Dienstag waren alle Faxgeräte am Ballhausplatz lahmgelegt. Papierberge stapelten sich.

Und siehe da: Die Regierung schwenkte um. Am Mittwoch wurde die Sperrstunde im Nationalrat von 20 auf 22 Uhr erstreckt, Sperrstunden nach 22 Uhr sollten im Einzelfall weiterhin zulässig sein.

Am Tag darauf kam der Bundeskanzler persönlich auf Besuch in die Schlossgasse 21. Ein Foto mit Viktor Klima und meiner Mitarbeiterin Martina erschien auf der Titelseite der Kronenzeitung, in der Zeitung „Der Standard“ war ich der „Kopf des Tages“.

Michael Jeannée von der Kronenzeitung, für seine markanten Formulierungen berüchtigt, nannte mich fortan den „Sperrstunden-Töter“. Fast alle anderen Medien berichteten in großer Aufmachung.

1999: Mit dem Schalk im Nacken

Auffällige Aktionen gab es nicht wenige in den 25 Jahren meiner aktiven Zeit als Wiener Wirt. Manchmal waren sie mit einer Prise Humor gewürzt.

Als Beispiel sei eine Veranstaltung aus Anlass einer medial weltweit verbreiteten Prophezeihung des Astrologen und Propheten Nostradamus erwähnt, wonach die Welt im Jahr 1999 untergehen werde.

Was in diesem Jahr tatsächlich stattfand, war eine Sonnenfinsternis am 11. August.

Am Vorabend dieses Ereignisses lud ich zur „Nacht der Wahrsager“, unter anderen standen eine Astrologin, eine Kaffeesudleserin sowie ein Magier für die geladenen Stammgäste bereit. Grafiker Richard Donhauser entwarf eine dazu passende Einladung:

2000: Kunst und gut

Kunst im Wirtshaus gehört für mich zum gastronomischen Alltag ebenso dazu wie das Engagement für wohltätige Zwecke. Man muss „über den Tellerrand schauen“, das war und ist meine Devise.

So organisierte ich eine Ausstellung von Skulpturen des berühmten Bildhauers Alfred Hrdlicka und einigen seiner Schüler.

Sie fand im Gastgarten des Silberwirt statt und trug den Titel „Konfrontation“.

Hrdlicka war bekennender Kommunist, aber einer mit Humor; er unterstützte die Aktion mit einem Augenzwinkern: Die Kunstausstellung wurde als Besetzung des Schlossquadrats durch die Künstler inszeniert.

Krone-Adabei Jeannée schrieb dazu: „Szene-Wirt gegen Stammtisch-Gesudel“.

Künstlerische und politische Aktionen im Wirts- und Kaffeehaus zuzulassen, war mir wichtig, weil gastronomische Lokale mehr bieten sollen als gutes Essen und Trinken. Siehe den folgenden Überblick:

2006: Aktion Stephansplatz

Jahre später organisierte ich mit meinem Stammgast und Freund Harry Kopietz eine Advent-Aktion: Im Spätherbst des Jahres 2006 hatte die damalige Bezirksvorsteherin der Wiener City, Ursula Stenzel, die Genehmigung für den traditionellen Punschstand vor dem Stephansdom verweigert (zu diesem Anlass wurden jedes Jahr Spenden für die Aktion „Rettet den Stephansdom“ gesammelt).

Beim nächsten Besuch von Harry Kopietz im Silberwirt sprachen wir darüber. Ich wusste, dass Kopietz für Stenzel ein – im wahrsten Sinn des Wortes – rotes Tuch war; sie nannte ihn damals den „Putin von Wien“.

Harry und ich beschlossen kurzerhand, den Stephansplatz von der City in den Innenhof der Schlossgasse 21 zu verlegen. Kopietz ließ eine riesige Fototafel vom Stephansdom anfertigen, die im Hof des Biedermeierhauses aufgestellt und beleuchtet wurde.

Anfang Dezember luden wir Freunde und Bekannte zur Eröffnung des Punschstandes – die Parteizugehörigkeit spielte ausnahmsweise keine Rolle, weil es um einen guten Zweck für das Wahrzeichen von Wien ging.

Am Abend der Eröffnung versammelte sich eine illustre Runde zum feierlichen Punschgenuss. Plötzlich wurde mir geflüstert: „Die Stenzel kommt!“ Wenig später stand sie dann tatsächlich da. Margaretens Bezirksvorsteher Kurt Wimmer war anwesend und gewährte seiner Kollegin vor laufender Kamera Asyl.

2006 wurden für „Rettet den Stephansdom“ 25.000 Euro gesammelt:

Das Sammeln von Spenden für einen guten Zweck war mir von Anfang an ein wichtiges Anliegen, weil auch und gerade Unternehmer zur Solidarität mit Hilfsbedürftigen verpflichtet sind.

Manche Spendenaktionen entstanden spontan. So führte ein außergewöhnliches Hochwasser Anfang der 2000-er Jahre zu Verwüstungen im niederösterreichischen Kamptal (wo ich meinen privaten Weinkeller hatte); der Kindergarten im nahe gelegenen Zöbing war vollkommen zerstört.

Gemeinsam mit VP-Mandatar Günter Stummvoll und Winzer Willi Bründlmayer organisierten wir eine Spendenaktion, deren Erlös maßgeblich zum Wiederaufbau des Kindergartens beitrug.

2010: Keine Mauern durchs Lokal verordnen!

Zwei Jahre später mobilisierte ich gegen ein grottenschlecht formuliertes Tabakgesetz, das eine räumliche Trennung größerer Gastlokale in Raucher- und Nichtraucherbereiche vorsah und größeren Lokalen damit erhebliche Umbaukosten aufhalste.

Ich wetterte vehement gegen die Errichtung von Mauern und die dadurch entstehende Zweiklassen-Gesellschaft von Rauchern und Nichtrauchern. Siehe die folgenden Interviews:

In einer Pressekonferenz wurde eine Verfassungsklage präsentiert. Das mediale Echo war beachtlich.

Und weil mir auch bei dieser Aktion der Schalk im Nacken saß, veranstaltete ich mit Magier Tony Rei das erste magische Raucher-Kabarett und kündigte dessen Uraufführung in der Trattoria Margareta an: Dompfarrer Tony Fumo (eine Anspielung an Toni Faber, damals Dompfarrer von St. Stephan) weiht zu Beginn der Vorstellung feierlich den Nichtraucherraum ein, aber ein Teufelchen entführt dessen Ministrantin zu einer Raucherparty.

Ein behördlicher Kontrollor tritt ein und straft die arme Wirtin, weil gerade geraucht wird, doch Kampfraucherin Tschick-Gitti wehrt sich dagegen, das Rauchen einzustellen (mit der Bezeichnung Tschick-Gitti war die damals populäre Unterhaltungskünstlerin Jazz Gitti gemeint).

Die Vorstellung endet mit einer Wirtshaus-Hymne auf die Toleranz.

Seit 1. November 2019 ist Österreichs Gastronomie rauchfrei.

Damit war auch die räumliche Trennung in Raucher- und Nichtraucherzonen obsolet, gegen die ich vor knapp zehn Jahren erfolglos gewettert hatte. Den Aufwand dafür konnten die Gastronomen in den Sand schreiben.

Persönlich war ich nicht vom Rauchverbot betroffen, weil ich im Jahr 2005 zu rauchen aufgehört hatte. Viele Lokalgäste und Mitarbeiter mussten sich erst daran gewöhnen. In wirtschaftlicher Sicht traf das Verbot alle Lokale gleichermaßen, daher war diese gesetzliche Einschränkung der Erwerbsfreiheit zu akzeptieren.

Hier schließt sich ein Kreis zu den militanten Gegnern einer staatlich verordneten Impfpflicht, die seit der Corona-Pandemie kontrovers diskutiert wird, und der immer wieder aufs Neue umstrittenen Frage, wo die Freiheit des einen endet und die des anderen beginnt.

Ich schließe dieses Kapitel mit einem urösterreichischen Zitat: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“. In Wien wird das nicht nur so hingesagt, sondern  auch so gelebt.

Vermutlich deshalb erregte die folgende Anschlagtafel am Tor der Schlossgasse 21 ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit, nicht nur bei Gästen vom Schlossquadrat.

Anlass für die resignative Aufmüpfigkeit war damals eine unüblich lange – und für mich als Wirt geschäftsschädigende – Sperre der gesamten Schlossgasse wegen Straßenbauarbeiten: