Chemiker

Als Schüler angefertigte Skizze des Citronensäurezyklus, der eine zentrale Rolle im Stoffwechsel lebender Zellen spielt – und meine jugendlichen Ideen für einen späteren Beruf womöglich beflügelte.

Des Lebens Wege führen oft,
zu Zielen, welche unverhofft.

Wenn schon der Vater und die Mutter Chemie studiert haben, dann wird auch der Sohn Chemiker. So lautet die gängige Meinung – der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm.

Ich hab‘ zwar auch dasselbe Studium absolviert wie beide Eltern, aber Chemiker bin ich dann doch nicht geworden.

Als Kind wollte ich eine Zeit lang Gärtner werden (und natürlich auch, wie viele andere Buben, mit einem großen Feuerwehrauto fahren). Während der Volksschule galt Musik als „starker Kandidat“.

Mein Interesse an Naturwissenschaften war auch schon vorhanden, es galt jedoch eher der Biologie. Als ich im Jahr 1965 auf der familiären Maturareise meines Bruders am Rücksitz des Autos mitfahren durfte, las ich „Knaur’s Tierreich in Farben“, anstelle die vorbeiziehende Landschaft von Bulgarien und der Türkei anzusehen. Der Vater saß am Steuer und ärgerte sich, weil ich mich der Lektüre über niedere Tiere widmete.

Zu anderer Gelegenheit meinte er, seine Söhne sollten nur ja nicht Chemie studieren (an eine konkrete Begründung dafür kann ich mich nicht erinnern). Die Mutter hielt sich zur Frage der Studienwahl zurück; sie war nicht musikalisch, hätte mich aber gern als Cellisten gesehen.

Wunschziel Biochemie

Die Matura rückte näher und damit auch die Wahl des Berufs; studieren wollte ich in jedem Fall, also ging es „nur“ um die Auswahl der Studienrichtung. Die chemischen Institute gehörten damals noch zur Fakultät für Philosophie der Universität Wien (von der aktuellen Bedeutung der Lebenswissenschaften war in den 1960-er Jahren noch lange nicht die Rede).

Wer sich für Chemie als Hauptfach interessierte, konnte damals nur zwischen Diplom- und Lehramtsstudium wählen. Ein Studium der Biochemie sei aber in Aussicht, erfuhr ich von Insidern.

Studienplan Chemie

Am 4. Juni 1969, kurz vor den finalen Schulexamen, schrieb ich einen Brief an Otto Hoffmann-Ostenhof, Inhaber der Lehrkanzel für Biochemie an der Universität Wien, und fragte an, „inwieweit der Studiengang bis zum Doktorat für Biochemie (?) gesichert“ sei; meine Vorstellung von dem Studium sei, „das Biologiestudium, das vielleicht nicht die heute erforderlichen biochemischen Grundlagen vermittelt, zu ersetzen durch einen Lehrgang, der zuerst gründliche theoretische Kenntnisse vermittelt, um dann praktische Anwendungsmöglichkeiten zu bieten: Ist diese Vorstellung richtig?“. Ich sollte im kommenden Herbst zwischen einem künstlerischen und einem naturwissenschaftlichen Studium gewählt haben.

Brief Hoffmann Ostenhof

Am 9. Juni 1969 kam eine ausführliche, persönlich gehaltene Antwort des Professors: Ab nächstem Semester laufe eine Spezialausbildung für Biochemiker an, aber: „Wir arbeiten ohne gesetzliche Grundlagen“. Dennoch möchte er sagen, „daß ein geordnetes Studium der Biochemie bis zur Erreichung des Doktorats an meiner Lehrkanzel auf jeden Fall gesichert ist“.

Weiters machte er mich darauf aufmerksam, dass ein „ernsthaftes Studium der Biochemie kaum eine gleichzeitige intensive Beschäftigung mit der Musik zuläßt“, er habe sich vor vielen Jahren in einer ähnlichen Situation befunden wie ich jetzt.

Ich entschied jedoch, im Hauptfach Chemie zu inskribieren und wählte die vor kurzem etablierte„neue Studienordnung“ (was damals möglich war). Das geschah in der Hoffnung, mich später auf Biochemie spezialisieren zu können.

Chemie und Musik im Doppelpack

Auf die Fortsetzung meines Musikstudiums wollte ich nicht verzichten, entgegen dem Rat von Hoffmann-Ostenhof. Wie es später im Berufsleben der Fall sein sollte, setzte ich „auf zwei Pferde“.

Dass der Studienplan nicht meinen Vorstellungen entsprach, weil das Wort Biochemie nur ganz am Rande vorkam, nahm ich in Kauf.

Hoffmann-Ostenhof hatte mich auch auf die Hochschule für Bodenkultur verwiesen, aber ich recherchierte die dort verfügbaren Optionen nicht im Detail. Vermutlich lag es an den eher praxisorientierten Lehrgängen, die von vornherein eine Spezialisierung erforderten – für mich stand die „reine Wissenschaft“ im Fokus, konkret: die biochemischen Grundlagen des Lebens.

Mit dem Studium der Chemie an der Universität Wien hielt ich mir sowohl eine spätere Spezialisierung in Biochemie offen als auch die Option, später in den pharmazeutischen Betrieb des Vaters einsteigen zu können.

Die ersten vier Semester waren in der Sache trocken, theoretisch und teilweise langweilig. Eine gefürchtete Hürde war die Prüfung in physikalischer Chemie bei Professor Johann Breitenbach. Er stellte jedem Kandidaten grundsätzlich nur eine einzige Frage. Entweder man wusste die richtige Antwort oder man flog durch. Viele Studentinnen und Studenten sind an ihm gescheitert und gaben deswegen ihr Studium auf. Ich hatte Glück und kam auf Anhieb durch.

Dafür ließ mich Oskar Friedrich Olaj durchsausen, ebenfalls bei einer Prüfung in physikalischer Chemie (später sollte ich jahrzehntelang mit ihm Kammermusik spielen, siehe „Musiker“).

Da ich mich, wie oben erwähnt, für die neue Studienordnung entschlossen hatte, waren zahlreiche Praktika und kleinere Prüfungen zu absolvieren; im alten System dagegen hätte es nur wenige große Prüfungen gegeben.

Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, ich fand damals, dass wählbare Vorlesungen und Freifächer flexibler seien und belegte mehrere botanische und biochemische Lehrveranstaltungen, die für das Studium angerechnet wurden.

Eines der biochemischen Praktika ist mir in schauriger Erinnerung: Ich hatte vom Schlachthof in St. Marx ein Rinderherz zu holen, um daraus ein Enzym zu isolieren. Kurz nach vier Uhr in der Früh kam ich im Schlachthof an. Zahlreiche Rinder standen auf nacktem Boden und blickten starr vor sich hin. Einem korpulenten Mitarbeiter in weißem Kittel erklärte ich mein Anliegen und erntete einen geringschätzigen Blick; aber er gab mir einen Wink, wohin ich gehen solle.

Als ich ankam, wurde gerade ein Stier geschlachtet. Ein Schuss, und das Tier fiel um. Mit großen Hacken wurde der mächtige Rumpf zerteilt, wenig später hielt ich ein warmes Herz in Händen; es blutete und zuckte. Ich packte es in meine Kühltasche und machte mich auf dem Weg ins Labor.

Eigentlich hatte ich mir Biochemie anders vorgestellt. Aber das Sezieren von Leichen im Medizinstudium dürfte auch nicht erbaulich sein. Gleichwohl war es eine lehrreiche Erfahrung. Auf meine weitere berufliche Entscheidung hatte sie keinen Einfluss, zumal aus der Biochemie aus anderen Gründen nichts wurde.

Inzwischen war ich gewählter Mandatar der Studenten in der Studienrichtungsvertretung und konnte die Reform der universitären Lehrgänge mitverfolgen und mitgestalten (siehe den Abschnitt „Ordinarien gegen Marxisten“ im Kapitel „Aufmüpfiger). Es zeichnete sich ab, dass das Doktoratsstudium für Biochemie noch lange nicht gesetzlich verankert sein werde. Konkret war nur von einem Studienzweig die Rede, verbunden mit schwer durchschaubaren bürokratischen Hürden. Wie gut, dass ich „normale“ Chemie inskribiert hatte.

Menschen sind oft
wichtiger als Pläne.

Maßgeblich für die Wahl meiner Diplomarbeit war die Begegnung mit Heinz Falk, einem hochgewachsenen, freundlichen und sehr kompetent wirkenden Chemiker, der in der organisch-chemischen Abteilung von Professor Karl Schlögl über die Chemie der Pyrrole forschte und damals Dozent war.

Pyrrole sind Bestandteile vieler komplexer Verbindungen im Stoffwechsel, beispielsweise von Photorezeptoren wie dem Phytochrom; Lichtreize und Lichtlänge steuern Änderungen in den Molekülen und beeinflussen dadurch das Keimen von Samen, die Bildung von Blüten und das Ergrünen von Blättern.

Bei Heinz Falk absolvierte ich Diplomarbeit und Dissertation.

Das war ein Thema nach meinen Vorstellungen. Dass ich am organisch-chemischen Institut arbeiten würde und nicht am biochemischen, spielte keine Rolle mehr, entscheidend war die Aufgabenstellung.

Ich suchte bei Falk um eine Diplomarbeit an und wurde aufgenommen. Das Werk wurde im September 1974 fertig gestellt, also im zehnten Semester meines Studiums und etwas mehr als ein Jahr nach meiner Konzertreifeprüfung für Violoncello.

Die konkrete Arbeit bestand aus der Herstellung bestimmter Moleküle und nachfolgender spektrokosopischer Analyse (dabei kamen die ersten Kernresonanzspektrometer (NMR) ebenso zum Einsatz wie Röntgenphotoelektronenspektroskope – eines der hochmodernen Ungetüme befand sich damals auf der Technischen Universität am Getreidemarkt).

Im folgenden ist ein Auszug aus schwer lesbaren Aufzeichnungen über meine chemisch-synthetischen Versuche als Diplomand zu sehen.

Diplomarbeit

Nach Abschluss der Diplomarbeit zögerte ich nicht lang mit der Entscheidung, eine Doktorarbeit anzuschließen und beim Thema zu bleiben. Nur kurz flackerte die Idee auf, anstelle der Dissertation ein Studium der Rechtswissenschaften „anzuhängen“, aber die Frage wurde von mir nicht ernsthaft durchdacht, soweit ich erinnern kann.

Die über 120 Seiten lange Dissertation mit dem Titel „Zur Laktam-Laktim-Tautomerie bei Gallenfarbstoffen“ (das sind Abbauprodukte von pyrrolhaltigen Verbindungen) beendete ich im Juni 1976, also weniger als zwei Jahre nach der Diplomarbeit (womit ich in meinem Jahrgang der Schnellste im Hauptfach Chemie war).

Dissertation

Ohne Bürokrat
kein Doktorat

Nun fehlten nur noch eine Prüfung – das sogenannte Rigorosum – und die Urkunde für das Doktorat. Üblicherweise war das eine Formsache. Aber ich hatte mich für die neue Studienordnung entschieden. Gerade erst war der Studiengang für das Diplomstudium offiziell in Kraft getreten (den ich schon längst fertig hatte).

Die darauf aufbauende Studienordnung für das Doktorat hingegen war vom Wissenschaftsministerium noch nicht frei gegeben. Streng genommen hätte ich nicht einmal zum Rigorosum antreten dürfen.

Als Studentenvertreter aktiv

Vorerst war ich noch der erste und einzige neue Magister der Naturwissenschaften, den das konkret betraf. Ich wollte das Studium aber sogleich abschließen, wozu hatte ich mich so beeilt?

In der Studienrichtungsvertretung hatte ich mich bei manchen Professoren zwar unbeliebt gemacht, aber es gab auch andere, die mein Engagement schätzten.

Einer davon war Giselher Guttmann, Professor für Psychologie und Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät (die im Zuge der Uni-Reform im Jahr 1975 aus der Philosophischen Fakultät herausgelöst worden war).

Im Zuge dieser Umwälzung war ich vorübergehend auch als Fakultätsvertreter tätig, im Mittelbau war Reinhard Krepler aktiv, der später Direktor des Wiener AKH werden sollte, und Giselher Guttmann war der Capo bei den Professoren.
Erst im Nachhinein, beim Durchblättern der alten Korrespondenz und zahlloser Protokolle der damaligen Fakultäts- und Studienkommissionen erinnere ich wieder das Ausmaß an Arbeit, das ich in den freiwillig gewählten Job gesteckt habe. Aber ohne das dabei angeeignete Knowhow hätte ich womöglich noch lange auf meine Promotion warten müssen . . .

Ich ersuchte den Dekan um eine Lösung. Guttmann entschied, das Rigorosum ohne die Doktoratsstudienordnung als gesetzliche Grundlage abzunehmen. Das war ein mutiger erster Schritt, den ich dankbar annahm. Ich legte das Rigorosum mit Auszeichnung ab. Jetzt fehlte „nur noch“ die amtliche Urkunde (die ungefähr so wichtig ist wie der Führerschein fürs Autofahren).

Schon im Jahr zuvor hatte ich diesbezüglich Kontakt mit Beamten im Wissenschaftsministerium aufgenommen. Aber die Mühlen der ministerialen Bürokratie mahlten zu langsam. Bei der Doktoratsstudienordnung ging nichts weiter.

Am 4. Oktober 1976 schrieb ich einen Brief an die damals zuständige Frau Bundesministerin Hertha Firnberg. Siehe da: Am 5. November 1976 wurde der Studienplan für das Doktorat in der Studienrichtung Chemie mit Erlass genehmigt und am 24. November desselben Jahres erhielt ich die erste Urkunde eines Doktors der Naturwissenschaften nach der neuen Studienordnung, sie wurde vom Rektor der Universität Wien überreicht (im amtlichen Register erhielt meine Urkunde aus unerfindlichen Gründen die fortlaufende Nummer 2).

Magnifizenz Franz Seitelberger bei der Verleihung der Doktorwürde im Festsaal der der Universität Wien.

Einige Arbeiten aus meiner Studienzeit wurden später in Fachzeitschriften veröffentlicht:

Beim Vater in der Chemofux

Am 1. Juli 1976, also schon vor der Promotion, hatte ich vom Vater einen Vertrag als Chemiker im Ausmaß von 20 Wochenstunden bekommen. Ich sollte vorwiegend im Labor tätig sein und unter anderem Analysenverfahren für Wirkstoffe in pharmazeutischen Präparaten quantitativ bestimmen.

Chemofux Vertrag

Die nachfolgende undatierte Notiz an Irmgard, die zweite Frau des Vaters, gibt einen Einblick:

Das nachstehende Foto von Irmgard und mir wurde fast dreißig Jahre später beim Philharmonikerball aufgenommen:

Im Spätherbst gab es Auseinandersetzungen zwischen dem Vater und mir, die ich an dieser Stelle nicht näher beschreibe, weil sie auch ins Private gingen, das nicht Gegenstand dieser Chronik ist.

Nach Beratung mit meinem Bruder Thomas beschloss ich, das Unternehmen nach nur sechs Monaten Aufenthalt zu verlassen.

Für meine weitere berufliche Laufbahn hatte ich keinen Plan B. Da der obligate Wehrdienst fehlte, sprach ich beim Ergänzungskommando des Bundesheeres vor und suchte um einen Einrückungsbefehl so rasch wie möglich an. Der Zivildienst wäre mir zwar lieber gewesen, aber um den hätte man damals ansuchen und auf die Entscheidung der zuständigen Kommission monatelang warten müssen. So lange wollte ich nicht warten.

Als Wehrdiener auf Jobsuche

Der Präsenzdienst dauerte von 4. Jänner bis 31. August 1977. In dieser Zeit bewarb ich mich bei sehr vielen  Unternehmen im In- und Ausland, da waren chemische und pharmazeutische Konzerne von Hoffmann La Roche bis Unilever ebenso dabei wie andere Jobs, die ich in Stellenanzeigen gefunden hatte. Das Ergebnis war ernüchternd.

Nur der Waschmittelkonzern Procter&Gamble bot mir einen Job für das Marketing von Produkten an, was mich jedoch nicht interessierte.

Die renommierte Firma Biochemie Kundl suchte im Herbst 1977 Mitarbeiter im technologischen Bereich, allerdings zum sofortigen Eintritt. Das interessante Angebot traf aber erst ein, als ich schon in Paris lebte und arbeitete, siehe weiter unten.

Im übrigen kamen nur Absagen.

Zu Beginn des Studiums im Jahr 1969 war mir versichert worden, dass ein fertiger Chemiker zwischen lauter tollen Angeboten wählen könne. Aber die Erdölkrise des Jahres 1973 hatte die Lage am Arbeitsmarkt drastisch verändert. Bis Ende der 1970-er Jahre verlief die wirtschaftliche Entwicklung turbulent, zahlreiche einschlägige Arbeitsplätze wurden abgebaut.

Postdoc in Paris.

Während des Militärdienstes regte mein „Doktorvater“ Heinz Falk ein sogenanntes Postdoc an. Das ist ein befristeter wissenschaftlicher Aufenthalt, meist im Ausland, um weitere Erfahrungen sammeln zu können. Konkret stand ein Stipendium des französischen Staates in Aussicht, mit dem eine wissenschaftliche Arbeit gefördert wird.

Sie sollte in Saclay stattfinden, einem Vorort südlich von Paris. Leiter des Forschungslabors war der österreichische Chemiker Wilhelm Guschlbauer, der Bruder eines bekannten Dirigenten.

Nachdem Falk eine Empfehlung geschrieben hatte, sprach ich beim französischen Kulturattaché (damals am Lobkowitzplatz in Wien) vor, bewarb mich und nach einigem hin und her erhielt ich ein Stipendium für vier Monate, das wenig später verlängert wurde.

Das Thema war spannend. Es ging um Nucleoside, das sind Bausteine der RNA und DNA (also des Erbguts), die aus zwei ringförmigen Molekülen bestehen; eines davon enthält ein Stickstoffatom, das andere ist ein Zuckermolekül.

Es sollten im Labor chemische Varianten von Nucleosiden hergestellt werden, die, vereinfacht gesagt, anstelle eines Wasserstoffatoms ein Fluoratom trugen, und zwar an einer ganz bestimmten Position des Moleküls.

Dahinter stand die Hypothese, dass solcherart veränderte Substanzen (sogenannte Nucleosid-Analoga) gegen Virusinfektionen wirksam sein könnten. Das war damals Neuland.

Die chemische Arbeit zur Synthese war komplex; es wäre unverfroren gewesen, in der geplanten Zeit für das Postdoc einen maßgeblichen Erfolg erzielen zu wollen. Die gewünschten Substanzen ließen sich nach erfolgter Synthese nicht und nicht von Verunreinigungen trennen – was Voraussetzung für weitere Untersuchungen gewesen wäre.

Auch die Ausstattung der Labors schien der schwierigen Materie nicht angemessen. Die für meine Experimente erforderliche Substanz Adenosin besorgte und bezahlte ich selbst, sonst hätte ich mit der Arbeit nicht mal beginnen können.

Dennoch möchte ich die Zeit in Saclay nicht missen, weil ich dort noch deutlicher lernte als zuvor bei Heinz Falk, wie schwierig organisch-chemische Synthese in der Praxis sein kann und dass man nicht selten Dutzende von Versuchsanordnungen braucht, um nur einen einzigen Schritt weiter zu kommen (der sich später genauso gut als Sackgasse entpuppen kann).

Gleichwohl genoss ich Paris in vollen Zügen: Es war nicht nur das erste Mal, dass ich im Ausland lebte, sondern auch noch in einer Metropole mit einer unvergleichlichen Vielfalt von Angeboten und einem einzigartigem Flair.

Im Februat 1978 verließ ich Paris mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Die Rückkehr nach Wien war gleichzeitig der Abschied von meiner Laufbahn als Chemiker im Labor: Am 1. März 1978 trat ich einen Bürojob in der Bundeswirtschaftskammer an (siehe den Beitrag „Kämmerer“).

Die Frage, was passiert wäre, wenn ich als Chemiker wissenschaftlich oder gewerblich weiter gemacht hätte, hat mich seither nicht beschäftigt.