Bauherr
Wer altes Bauwerk will sanieren,
der darf das Ende nicht datieren.
Die Geschichte von der kleinen Cocktailbar, die Mitte der 1980-er Jahre im Haus Schlossgasse 21 eröffnete und später von mir übernommen wurde, erzähle ich im Kapitel „Wirt“. Sie löste die bauliche Sanierung von denkmalgeschützten Liegenschaften und den Aufbau von vier gastronomischen Lokalen aus
Hauserneuerung und Lokalerrichtung gingen zwar Hand in Hand, weshalb sich die Berichte „Bauherr“ und „Wirt“ teilweise überschneiden. Aber in einem einzigen Kapitel würde die Story zu komplex werden. Das folgende Kapitel „Bauherr“ konzentriert sich daher auf die Hintergründe der Immobilienentwicklung, im Kapitel „Wirt“ stehen dagegen Essen, Trinken und Feiern im Vordergrund.
Wohlmeinende Experten hielten mein Vorhaben für bescheuert, Wohnungen ausgerechnet in Gebäuden vermieten zu wollen, in denen gleichzeitig auch Lokale florieren sollen – das eine schließe das andere doch aus, argumentierten sie. Sie sollten unrecht haben.
Eigentümer der Liegenschaft Schlossgasse 21 war in den 1980-er Jahren Hans Dieter Leinwather. Er war planender Bauunternehmer und hatte die Mehrheitsanteile erworben, um das ziemlich herunter gekommene Biedermeierhaus zu sanieren. Weitere Anteile gehörten dem Baumeister Claus Strohmaier und dem Arzt Rainer Kitz.
So sah es in der Schlossgasse 21 damals aus:
Ich fragte bei Leinwather wegen eines Mietvertrages für die Cocktailbar an, die ich wie eingangs erwähnt übernehmen wollte, und bekam eine Zusage. Leinwather versicherte, dass das Haus im Jahr 1987 vom Keller bis ins Dach saniert werden würde.
Dann verstrich aber das Jahr 1987, ohne dass ein einziger Bauarbeiter erschien. Leinwather vertröstete mich mit Hinweis auf die enorme Bürokratie: Die Liegenschaft liege in einer Schutzzone, und das verursache zusätzliche Behördenwege und Einschränkungen.
Dass Verzögerungen im Altbau nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind, sollte ich später noch mehrfach erleben.
Gut Planen kann man Tag und Nacht,
doch kommt‘s oft anders als gedacht.
Anfang Februar 1988 verstarb Hans Dieter Leinwather unerwartet. Damit schien die weitere Zukunft des geplanten eigenen Lokals auf diesem Standort völlig ungewiss.
Aber dann löste der Zufall eine Wende aus, die auch meinen weiteren Lebenslauf tiefgreifend ändern sollte: Ein paar Wochen nach dem Begräbnis des Hauseigentümers traf ich dessen Schwester und erfuhr, dass sie die Liegenschaft geerbt hatte. Ich fragte sie, wie es nun mit der Sanierung weitergehen werde. Sie antwortete, kein Interesse daran zu haben.
„Würden Sie mir das Haus verkaufen?“, fragte ich spontan. „Ja“, sagte die Schwester, ebenfalls ohne zu zögern, „weil ich das Gefühl habe, dass Sie das Vorhaben im Sinne meines verstorbenen Bruders weiterführen“.
Das Haus, genauer gesagt, den größten Anteil davon, kaufte wenig später mein Vater. Mit seinem Einverständnis sollte ich die geplante Sanierung der maroden Substanz, den Ausbau des Dachbodens und die Verbesserung der bestehenden Wohnungen umsetzen.
Der Gedanke an den Kauf von Zinshäusern war in der Familie nicht neu; schon seit Jahren hatten mein Bruder Thomas und ich nach Immobilien gesucht; da waren interessante Projekte in der Bäckerstraße und der Naglergasse im ersten Bezirk ebenso dabei wie beispielsweise das Haus in der Schönbrunnerstraße 54 in Margareten. Mein Bruder dachte eher an ein gemeinsames Domizil für die Familie, für mich war die Aussicht auf langfristige Zinserträgnisse wichtig. Wie auch immer, die finanzielle Basis wäre damals vom Vater gekommen. Er hatte sein pharmazeutisches Unternehmen Chemofux im Jahre 1981 verkauft und sollte danach als Erfinder und Entwickler neuer Produkte bis ins hohe Alter erfolgreich bleiben.
Die kleine Cocktailbar, die das große Projekt Schlossquadrat ausgelöst hatte, rückte mit dem Kauf des Hauses in den Hintergrund. Denn unversehens war ich für die Sanierung einer ganzen Liegenschaft verantwortlich – ohne vom Baugeschehen einen blassen Schimmer zu haben.
Wer altes Bauwerk repariert,
zahlt meistens mehr als kalkuliert.
Das kaufmännische Risiko war erheblich, denn es war keineswegs sicher, dass die von Leinwather projektierten Kosten am Ende ausreichen würden. Zum Glück hatte ich als Miteigentümer einen Baumeister mit jahrzehntelanger Erfahrung.
Im Rückblick erscheinen mir alle, auch die späteren Sanierungen im denkmalgeschützten Schlossquadrat waghalsiger als zu Beginn, als die Entscheidungen für oder gegen einen Baumaßnahme zu treffen waren. Ich kann mich aber nicht erinnern, Angst vor dem Scheitern gehabt zu haben.
Oder verdrängte ich die Angst? Existenzangst und Angst vor der Zukunft hatten den Vater sehr geprägt – ich war schon als Jugendlicher so oft damit konfrontiert, dass sie mich womöglich stark beeinflussten. Aber Angst kann auch Kraft verleihen, um dafür zu sorgen, dass gar nicht eintritt, wovor man sich ängstigt.
Ich denke, dass mir der Wille zum Gestalten, der Mut des Ehrgeizigen und die innere Zuversicht „ja, ich schaffe es“ geholfen haben.
Das nachstehende Bild zeigt die Wohnung Top 25 des Hauses Schlossgasse 21 ohne Geschoßdecke, Baumeister Strohmeier und Mutter Elisabeth staunen.
Anfangs besuchte ich die wöchentlichen Baubesprechungen als „Beiwagerl“ des Miteigentümers Strohmaier und begann Stück für Stück, die traditionellen Abläufe kennen zu lernen. Wie komplex (und somit auch riskant) solche Vorhaben in der konkreten Praxis sein können, begriff ich erst später.
Die Schlossgasse 21
und ihr Innenhof
Nachstehende Bildergalerie zeigt Fotos von Etappen des Umbaus in den Jahren 1988 bis 2002
Im folgenden sind zuerst das Haus und dann das Lokal „Schlossgasse 21“ nach der Sanierung zu sehen (siehe dazu den Bericht „Wirt“):
Wichtig war mir die Gestaltung und Begrünung der Innenhöfe, für die Wohnungsmieter im alten Biedermeierhaus ebenso wie für die Lokalgäste. So pflanzten wir im Jahr 1991 einen Maulbeerbaum, der damalige Bürgermeister Helmut Zilk und ich griffen symbolisch zur Schaufel:
Über viele Jahre hinweg fuhr ich jede Woche um 5 Uhr in der Früh zum Großgrünmarkt nach Inzersdorf, kaufte frische Blumen ein und machte bunte Gestecke daraus, als Hobby-Florist sozusagen. Ein paar Beispiele zeigt die folgende Bildergalerie
Viel schöner wäre das Gestalten,
wenn würden keine Normen walten.
In den 2020-er Jahren ist das Sanieren alter Häuser noch um vieles komplexer geworden und mit viel strengeren, teilweise völlig überzogenen Normen so überfrachtet, dass mein erstes Bauvorhaben der Jahre 1988 bis 1991 unter „heutigen“ Bedingungen keinesfalls gelungen wäre, weder in der Bauzeit noch zu vergleichbaren Kosten.
Sogenannte Immobilienhaie würden ein desolates Gebäude, wie es die Schlossgasse 21 vor der Sanierung zweifellos war, einfach abreißen und einen mehr oder weniger hässlichen Neubau hinstellen. Wenn ein Abbruch wegen Denkmal- oder Ensembleschutz nicht infrage käme, dann würden sie mit den Arbeiten erst starten, nachdem sie das Haus bestandsfrei gemacht hätten – was bei anderen Bauvorhaben nicht selten zu Missständen führt, wenn sich die Bewohner „hinausgeekelt“ fühlen. Andererseits, wer ein Jahrhunderte altes Bauwerk von der Pieke auf herrichten will, schafft das kaum, solange es voll bewohnt ist.
Im Falle der Schlossgasse 21 dachten die Altmieter gar nicht daran, auszuziehen. In Anbetracht des sehr geringen Zinses, den sie zu entrichten hatten, war das auch nachvollziehbar. Einige schienen sich in der morbiden Atmosphäre bröckelnder Bausubstanz richtig wohlzufühlen.
Der frühere Haupteigentümer Hans Dieter Leinwather hatte zwar versucht, einzelne Wohnungen mit durchaus attraktiven Angeboten freizukriegen. Aber ohne Erfolg. Was das in der Praxis bedeuten kann, sei an einem konkreten Beispiel erläutert:
Keine Wohnung
ohne Eingang.
Für die Finanzierbarkeit eines solchen Projekts ist es wichtig, dass man auch das Dachgeschoß ausbauen und vermieten kann. Denn allein die Fixkosten für notwendige Erhaltungsmaßnahmen der allgemeinen Teile, für neue Kanalanschlüsse und neue haustechnische Versorgung sind im Altbau enorm hoch; ohne ausreichend viele Nutzflächen kann man solche Projekte wirtschaftlich nicht darstellen. Meist muss ja auch der Dachstuhl abgetragen und neu errichtet werden, was viel Geld kostet, aber nur dann Sinn macht, wenn unterm First zusätzliche Wohnflächen entstehen können.
Dazu braucht jede Dachwohnung aber einen geeigneten Zugang. Das leuchtet unmittelbar ein, ist aber in der Praxis oft ein Gfrett: So konnte ich das bestehende Stiegenhaus im Fall der Schlossgasse 21 vom zweiten Stock aus zwar ins Dachgeschoß führen und von dort neue Freiflächen für attraktive Wohnungen erschließen. Aber im Längstrakt des Hauses – oberhalb vom heutigen Silberwirt – wäre die vom Stiegenhaus erreichbare Nutzfläche über 300 m2 groß gewesen – also zu groß für eine einzelne Wohnung, das hätte wirtschaftlich keinen Sinn gemacht, schon gar nicht in einem Haus ohne Lift und ohne Dachterrassen (die die Behörde in einer Schutzzone nicht genehmigen will).
Im ersten und zweiten Stockwerk des genannten Längstraktes gibt es jeweils fünf Wohneinheiten, die über sogenannte Pawlatschengänge erreichbar sind. Im Dachgeschoß einen weiteren Pawlatschengang zu errichten, hätte wegen der Dachschräge architektonisch nicht funktioniert. Eine andere Lösung schien baulich nicht machbar.
Doch ich hatte Glück, denn es wurde die Wohnung mit der Nummer 20 frei, sie lag in der Mitte des längsseitigen Traktes. Bingo – somit konnte der Eingangsbereich dieser Wohnung zu zwei Stiegenaufgängen ins Dachgeschoß umfunktioniert werden. Die beiden Treppen wurden durch eine neu errichtete Zwischenwand getrennt. So entstanden Zugänge für zwei weitere Wohnungen im Dachgeschoß möglich, die heute die Nummern 20a und 20b tragen. Aus einer Rieseneinheit mit 300 m2 entstanden auf diese Weise drei Wohnungen mit je rund 100 m2.
Das folgende Foto zeigt Stephi und Michael Wanits beim Eingang in eine dieser Wohnungen, im Hintergrund ist die neue Treppe von der Pawlatsche ins Dach hinauf zu sehen:
Innen sah eine der Dachgeschosswohnungen später so aus:
Zwei Einheiten der Schlossgasse 21 werden heute nicht als Wohnungen, sondern als ärztliche Ordinationen genutzt, wie das folgende Foto mit Psychiater Roland Mader zeigt:
Die Planungsarbeiten nach Ableben von Dieter Leinwather hatte der oben erwähnte Architekt Johann Polach übernommen. Miteigentümer Claus Strohmaier hatte ihn empfohlen. Er ist auf nachfolgendem Foto rechts zu sehen, in der Mitte Strohmaier.
Wer Billigstbieter engagiert,
der ist am Ende oft frustriert.
In der Folge tauchten weitere Hürden auf: Für die Sanierung hatten sich – vom Baumeister bis zum Fliesenleger – Unternehmer aller Gewerke beworben. Es galt das Prinzip: Zum Zug kommt, wer am billigsten anbietet. Der Grundsatz ist zwar in der Ausschreibungspraxis weit verbreitet, dennoch bleibt er fragwürdig. Im konkreten Fall der Schlossgasse 21 ging beispielsweise die Malerfirma in Konkurs, kurz nachdem sie angefangen hatte zu arbeiten. Mehrkosten waren also vorprogrammiert, weil keine andere Firma zu den Preisen des Billigstbieters leisten wollte. Unternehmen aus anderen Gewerken, die auch Billigstbieter gewesen waren, brachten zwar ihren Auftrag zu Ende, aber die Qualität ihrer Leistungen stellte sich später als mangelhaft oder wenig haltbar heraus.
Erschwerend kam hinzu, dass viel Bausubstanz vom alten Schloss Margareten während der beiden Türkenkriege in den Jahren 1529 und 1683 verwüstet und danach wieder aufgebaute Teile auch noch durch einen verheerenden Brand im Jahr 1768 zerstört worden waren. Nach jeder Katastrophe wurde hergerichtet, aufgestockt und umgebaut, und das in zahlreichen Etappen, die aus den alten Baukonsensen nur bruchstückhaft nachvollziehbar sind. Vieles war Flickwerk. So entpuppte sich der Zustand des Mauerwerks und der tragenden Geschoßdecken aus riesigen alten Holzbalken viel desolater als vor der Sanierung erkennbar war (einer meiner früheren Baumeister nannte das Haus eine „Bröselbude“).
Von den hohen Fenstern und den aufragenden Türmchen auf dem am Beginn dieses Beitrags abgebildeten Kupferstich ist nichts mehr erhalten. Übrig geblieben sind mächtige Steinquader aus dem Leithagebirge, die man im heutigen Lokal Gergely’s bestaunen kann. Auch Teile des Mauerwerks im ersten Stock des benachbarten Hauses Margaretenstraße 77 stammen laut Bundesdenkmalamt aus dem 14. Jahrhundert.
Schloss Margareten Die ersten vierhundert JahreSo begann das Zerstückeln vom alten Schloss Margareten
Dass man die alten Strukturen heute kaum mehr erkennt, ist nicht nur auf die genannten Verwüstungen zurückzuführen, sondern auch auf den Umstand, dass die Stadt Wien, die Ende des 18. Jahrhunderts Besitzerin der Liegenschaft geworden war, das Schlossgebäude in einzelne Teile „zerlegte“ und die so entstandenen Parzellen anschließend versteigerte. Die Bestbieter vererbten die erworbenen Teile des alten Ensembles über Generationen hinweg an ihre Nachkommen. Am Ende hatte fast jede Einheit mehrere Mitbesitzer, die zwar verwandt, aber oft heillos untereinander zerstritten waren. So erklärt sich, warum nötige Sanierungen der Bausubstanz zuletzt über viele Jahrzehnte hinweg ausblieben.
Die einzelnen Anteile zum heutigen Schlossquadrat zusammenzuführen und in der Folge so weit wie möglich instand zu setzen, sollte über zwanzig Jahre lang dauern:
Von 1988 bis 1991 wurde die Liegenschaft Schlossgasse 21 saniert, es folgte ab 1997 das Haus Margaretenstraße 77, die Umbauten liefen in mehreren Etappen bis 2010. Am längsten brauchte ich für den Margaretenplatz 2: Von 1992 bis 2008. Er ist nicht nur das mächtigste Gebäude im Schlossquadrat, sondern bringt, von der Schlossgasse 21 aus gesehen, auch die bauliche und funktionelle Anbindung an den Platz, das historische Zentrum des Bezirks.
Auf folgendem Kupferstich aus 1774 sieht man an der von mir gelb eingezeichneten Linie, dass die heutigen Grundstücke Schlossgasse 21 (links) und Margaretenplatz 2 (rechts) früher noch eine Einheit waren, erst mit der Versteigerung im späten 18. Jahrhundert wurden sie baurechtlich getrennt (der senkrechte gelbe Strich, 2022 gezeichnet, markiert die Grenze der beiden Parzellen).
Die gelb markierte Trennung war willkürlich, die beiden Häuser gehören zusammen.
Die Hindernisse am Weg zur „Wiedervereinigung“.
Im Jahr 1992 eröffnete sich für mich die erste Chance zur Wiedervereinigung: Zwei Mitbesitzer der Liegenschaft Margaretenplatz 2 boten mir den Verkauf ihrer 50/100 Anteile an; mein Vater erwarb sie kurze Zeit später.
Es folgten langwierige Verhandlungen mit drei noch verbliebenen Miteigentümern, denen die zweite Haushälfte gehörte. Sie dauerten fünf Jahre, waren mühsam und endeten ohne Ergebnis. Ich war frustriert und sah kaum Chance auf eine gütliche Einigung.
Aber mit der Übernahme des Lokals Silberwirt und der Liegenschaft Margaretenstraße 77 mitsamt dem früheren Lokal Octopusi (siehe Kapitel „Wirt“) änderte sich meine Strategie: Denn nun stand eine Verbindung zwischen zwei Innenhöfen in Aussicht, die das alte Häusergeviert wieder öffnen und innen zugänglich machen würden. Zur Zeit des alten Schloss Margareten war der ganze Innenbereich weitgehend unverbaut gewesen. Was für ein riesiger Hof muss das damals gewesen sein! Das alte, offen gewesene Areal wieder herzustellen, wäre nicht möglich gewesen, zu viel davon war inzwischen verbaut. Aber ein neuer Durchgang erschien immerhin als wichtige Etappe, um den Häuserkomplex wieder zu öffnen und als bauliche Einheit erlebbar zu machen.
Auf folgendem Luftbild kann man man den nahezu quadratischen Grundriss erkennen.
Wer nicht mehr mit dem andern spricht,
der landet oftmals vor Gericht.
So rückte das Haus Margaretenplatz 2 für mich in den Mittelpunkt der weiteren Entwicklungsarbeit: Ursprünglich wolle ich von den anderen Miteigentümern nur die Erlaubnis, eine Hälfte des Hauses nach meinen Vorstellungen sanieren und nutzen zu dürfen, aber meine Vorschläge zu einer sogenannten Pariphizierung (so heißt die Umwandlung von Mietobjekten in Wohnungseigentum) wurden von den anderen Besitzern ebenso zurückgewiesen oder ignoriert wie mein Vorschlag zu einer Realteilung der Liegenschaft.
Mit 50 von 100 Anteilen hat man zwar eine Hälfte, aber eben nicht die Mehrheit im Haus. Das führt oft zu einer Pattsituation. Erschwerend schien, dass die alten Miteigentümer allesamt Nachfahren des Seidenbandmachers Franz Praller waren, der im Jahr 1786 das Haus ersteigert hatte. Sie sahen meinen Vater, meinen Bruder (der damals an vielen Verhandlungen beteiligt war) und mich als unliebsame Eindringlinge: die erste Haushälfte, die ich im Jahr 1992 sichern konnte, hatte zwei Brüdern gehört, die mit den anderen Besitzern zwar verwandt, aber verfeindet waren: Die beiden hätten schon früher einen Teil des Dachbodens ausbauen wollen, waren jedoch genauso am Widerstand ihrer Miteigentümer gescheitert wie ich. Schließlich resignierten sie und boten mir ihre Anteile zum Kauf an. Aber über diese Vorgeschichte erfuhr ich erst später.
Ich unterschätzte daher die Hartnäckigkeit, mit der sich die andere Fraktion der Eigentümer meinen Sanierungs- und Gestaltungsvorschlägen widersetzte. Das Haus war aber längst baufällig. Hätte die interne Blockade noch länger angedauert, wäre eine leistbare Sanierung womöglich zu spät gekommen.
Letzter Ausweg: Teilungsklage
Nach fünf Jahren fruchtloser Verhandlungen resignierte ich und beauftragte einen Anwalt, die Teilungsklage einzubringen. So eine Maßnahme führt am Ende zur öffentlichen Feilbietung des ganzen Hauses. Das war insofern riskant, als man vorher nicht weiß, wie groß das Interesse an der Liegenschaft bei fremden Käufern sein wird: So hätte ein „Baulöwe“ bei der von mir erzwungenen Versteigerung einen derart hohen Preis bieten können, dass wir vielleicht aussteigen hätten müssen, weil das Haus sonst zu teuer geworden wäre. Dann wären unsere 50/100 Anteile zwar zu einem guten Preis verkauft, meine Pläne zur Wiedervereinigung jedoch hinfällig gewesen.
Der Druck der nahenden öffentlichen Versteigerung brachte dann doch Bewegung in die Sache: Mit Kaufvertrag vom 16. April 1998 konnten wir die Achtel-Anteile des Miteigentümers Herwig Pichler erwerben. Am 2. Juli 1998 verkaufte ein weiterer Mitbesitzer seine 1/4 Anteile.
Zuletzt verblieb nur mehr ein Achtelanteil in „fremder Hand“: Was auch immer ein anderer Kaufinteressent bei der Versteigerung geboten hätte, wir hätten sehr wahrscheinlich mitziehen können, denn für uns wäre es nur um ein Achtel eines – allenfalls in die Höhe lizitierten – Preises gegangen, für jeden anderen Mietbieter dagegen um die Summe für das ganze Haus.
Am 6. Juli 1998 kam die Liegenschaft unter den Hammer. Es erschien kein einziger Mitbieter, wir erhielten die letzten Hausanteile zum günstigen Ausrufungspreis.
Damit befanden sich alle drei Liegenschaften, Margaretenplatz 2, Schlossgasse 21 und Margaretenstraße 77 im Eigentum der von mir gegründeten Schlossquadrat Immobilien GesmbH. Drei Parzellen vom alten Schloss waren nach mehr als zweihundert Jahren wieder in einer Hand vereint.
Nachstehend der Beschluss des BG Innere Stadt zur Teilungsklage.
Dann jedoch vergingen noch weitere sieben Jahre, bis die Baugenehmigung für die Totalsanierung des Hauses Margaretenplatz 2 erteilt wurde; die Fertigstellungsanzeige erfolgte im Dezember 2008 – 16 Jahre nach dem Ankauf der ersten Haushälfte vom Margaretenplatz 2.
Alte Häuser
stehen aus Gewohnheit
Aber zurück zu den baulichen Adaptierungen rund um die Lokale Silberwirt und Octopusi.
Im Silberwirt war im Jahr 1998 ursprünglich eine sanfte Sanierung vorgesehen. Aber es kamen gravierende bauliche Mängel zum Vorschein: So war ein vier Meter langer Teil der statisch tragenden Mittelmauer des Hauses einfach abgerissen worden. Der Statiker, der das entdeckte, sprach von Glück, dass das Haus überhaupt noch steht. „Alte Häuser stehen aus Gewohnheit“, kommentierte mein Architekt Klaus Becker trocken.
Auf nachstehendem Foto sieht man im Bereich der Decke nach erfolgter Sanierung mächtige Unterzüge – das sind die Stahlträger, die eingebaut werden mussten, um die „verschwundene“ Mittelmauer statisch zu ersetzen.
Margaretenstraße 77: Tiefe Eingriffe
Auch in der Margaretenstraße 77 liefen nach dem Erwerb der Liegenschaft umfangreiche Umbauarbeiten an (siehe das Kapitel „Wirt“). Das gesamte Lokal wurde nicht nur komplett entkernt, sondern auch ein geräumiger neuer Keller ausgehoben:
In zwei Etappen wurden in diesem Haus neben dem Lokal Cafe Cuadro nach und nach zwei Büros und mehrere Apartments errichtet, die voll möbliert sind und gewerblich vermietet werden:
Dieses voll möblierte Apartment wird gewerblich vermietet.
Margaretenplatz 2: Der dritte Streich
Aber der „größte Brocken“ meiner Arbeit war damit noch nicht erledigt: Die Sanierung des Hauses Margaretenplatz 2. Es verfügt über deutlich mehr Nutzfläche als die Schlossgasse 21 und die Margaretenstraße 77 zusammen, und die Bausubstanz war genauso schlecht. So sah das Haus um 1900 aus:
Erfahrungen aus den früheren Sanierungen veranlassten mich, vor Baubeginn die noch vermieteten Wohnungen und Geschäftslokale so weit wie möglich freizukriegen. Das war richtig und wichtig: Im vierstöckigen Trakt des Hauses mussten später nahezu alle Decken abgebrochen und erneuert werden, nur die äußeren Mauern und das Stiegenhaus blieben stehen. Wenn noch Mieter dort gewohnt hätten, wäre das nicht möglich gewesen.
Es folgten zahlreiche Verhandlungen mit einzelnen Bewohnern, bei denen es um die Frage ging, wieviel jeder haben will, damit er auszieht. Bis auf zwei Fälle waren sie erfolgreich. In einem Fall ging es im eine 30 m2 kleine Wohnung im kleinen Seitentrakt des Hauses; die Mieterin wollte um nichts in der Welt ausziehen, also musste ich diesen weniger bedeutenden Teil des Hauses „um die Altwohnung herum sanieren“.
Der zweite Fall betraf Räume im Erdgeschoss, in denen sich heute die Trattoria Margareta befindet. Sie waren seit den 1960-er Jahren an die Firma Palmers vermietet, die Eigentümer zahlten nur eine geringe Miete und weigerten sich, auszuziehen. Aber ohne eine Freimachung dieses Objekts wäre die Sanierung nicht machbar gewesen; so hätte ein Lift nur auf einer Teilfläche der Palmers-Filiale errichtet werden können. Da das Haus vom Keller bis ins Dach fünf Geschoße hat, schien mir der Einbau eines Liftes unabdingbar.
Es folgte ein jahrelanger gerichtlicher Prozess, bei dem es unter anderem um die Frage ging, ob die Firma Palmers einen höheren, marktüblichen Zins zahlen muss. Den darf man als Vermieter dann verlangen, wenn entweder ein neuer Mieter einzieht oder wenn sich beim Altmieter die „wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse maßgeblich geändert“ haben. Der Nachweis, dass das bei Palmers der Fall war, erforderte sehr aufwendige Recherchen durch meinen Rechtsanwalt Karl F. Engelhart. Denn das alteingesessene Textilunternehmen, an dem auch zahlreiche Familienmitglieder beteiligt waren, hatte komplex verschachtelte Umstrukturierungen hinter sich, bei denen es im Endeffekt darum ging, wer im Konzern das Sagen hat. Entscheidende Änderungen wurden geschickt verschleiert, denn Palmers hatte noch zahlreiche weitere Filialen mit günstigen Altmieten und in guter Lage: Würden wir mit unserer Klage Recht bekommen, so hätten zahlreiche andere Filialen des Textilkonzerns mit Forderungen nach höherer Miete rechnen müssen.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofes war richtungweisend, es erging am 10. Februar 2004 und bestätigte unsere Rechtsauffassung, wonach eine Anhebung des Mietzinses berechtigt war.
Palmers OGH-UrteilAus dieser Zeit datiert der folgende Eintrag in meinem Tagebuch: „Palmers-Prozess ist gewonnen!“ Der neue Chef des Unternehmens, ein Herr Neidhardt, war kurz zuvor bei mir im Silberwirt und wir besiegelten die Einigung über die Freimachung des Objekts per Handschlag.
Endlich Bahn frei zum Schlossquadrat
Schon vorher hatte ich darüber nachgedacht, wie das Haus Margaretenplatz umgebaut werden könne, wenn es einmal so weit ist. Es stand zunächst die Entwicklung von knapp 700 m2 freier Nutzflächen im hinteren Trakt des Erdgeschoßes im Vordergrund.
Dass die Nutzflächen in den oberen Stockwerken leicht als Wohnungen vermietbar sein würden, war zu erwarten.
Es folgte die aufwendigste Planungsphase in meiner Laufbahn: Sage und schreibe 8 Etappen und 14 Varianten für Verwertungskonzepte wurden gemeinsam mit Architekt Klaus Becker im Detail durchgeplant und geprüft. Auszüge finden sich in meinem Tagebuch aus dem Jahr 2005:
Etappen der Planung am Margaretenplatz 2
Architekt Klaus Becker (links), Grafiker und Erfinder des „Schlossquadrat“-Logos Richard Donhauser (rechts)
und Hausherr Stefan Gergely im Gastgarten vom Silberwirt.
Es erntet oft und viel Verdruss,
wer Denkmalbau erneuern muss.
Parallel zur Entwicklung von Verwertungskonzepten fanden zahlreiche Gespräche mit dem Bundesdenkmalamt statt, das bei allen Umbauten von Häusern ein gewichtiges Wort mitredet, die unter Schutz stehen wie das Schlossquadrat. Es kamen zahllose Ablehnungen, auch bei kleinen Details wie den alten Türschnallen im Stiegenhaus, die als erhaltenswert galten – was mich in einzelnen Phasen der Planung zur Verzweiflung brachte. Nie hätte ich gedacht, dass sich die Widersprüche zwischen gesetzlichem Erhaltungsauftrag und notwendigem Erneuerungsimpuls so krass und hinderlich zeigen würden.
Insbesondere im Dachgeschoß kam es zu mühseligen Diskussionen. Ich wollte dort möglichst geräumige Terrassen für jede Wohnung haben. Im Straßentrakt des Hauses wurden mir aber nur zwei relativ kleine Freiflächen genehmigt, und das, obwohl sie sich im Innenhof befanden und größere Terrassen kaum sichtbar gewesen wären. Für mein späteres Büro wollte ich eine große Gaupe als kleinen Wintergarten ausgestalten – selbst dieses Vorhaben scheiterte am Einspruch der Denkmalschützer.
Dafür wurden zahlreiche denkmalpflegerische Aufträge erteilt, die die Baukosten in die Höhe trieben. Ohne finanzielle Hilfe des Vaters hätte ich die Sanierung ohne Kredit von der Bank nicht geschafft.
Ungeachtet der Hindernisse entwarf ich Leitlinien für das Projekt Margaretenplatz 2.
Die bewegte Geschichte des Schlossgebäudes hat in den Gemäuern ihre Spuren hinterlassen, davon zeugen zahlreiche Umbauten, zugemauerte alte Durchgänge, tiefe Brunnen und zahlreiche Schichten an der Fassade, Reste früherer Instandsetzungen.
Die Sanierung in den Jahren 2001 bis 2007 hat zum Ziel, das historisch gewachsene Ensemble – unter behutsamer Beibehaltung seines Erscheinungsbildes – statisch und bautechnisch gleichwohl von der Pieke auf zu modernisieren. Zum Sanierungsprogramm gehören Auswechslungen alter Holzdecken und aufwendige
Unterfangungen von Pfeilern ebenso wie der komplette Austausch von Wasser-, Gas- und Elektroleitungen sowie der Kanalisation. Darüber hinaus wird das Dachgeschoss zu modernen Wohnungen ausgebaut, zwei Lifte sorgen für zeitgemäßen Komfort.
Bei der Sanierung wird Augenmerk gelegt auf Lärmschutz, energiesparende und umweltschonende Technik sowie auf allergiefreie Materialien. So weisen die Schlafzimmerfenster eine Verglasung mit erhöhtem Schallschutz auf, geheizt wird mit modernen Brennwert-Thermen, Fassaden und Innenwände sind mit wasserdurchlässigen Anstrichen versehen.
Leitlinien für die Gestaltung der Wohnungen sind:
– offene Grundrisse bei den Wohnbereichen, die Schlafzimmer als Rückzugsbereich
– Flexibilität in der Anordnung und Nutzbarkeit der Räume
– Pawlatschengänge, Dachflächen und Terrassen zur Grüngestaltung nutzbar
– guter Lärmschutz, gute Wärmedämmung, geringe Energiekosten
– natürliche Werkstoffe (Holzdielenböden etc.) und weitgehende Vermeidung von Allergieauslösern
– Sicherheitstechnik auf modernstem Niveau
Die Gestaltungsüberlegungen für das Wohnhausprojekt ergeben sich aus dem Anspruch, möglichst offene und fließende Grundrisse mit zusammenhängen Bereichen zu schaffen. Der Anteil der geschlossenen Zwischenwände wird stark reduziert und durch eine transparente Holz-Glas-Konstruktion ersetzt; durch diese optische Erweiterung entstehen räumliche Verbindungen von Wohn-, Essplatz und Küche. Die Schlafzimmer dagegen sind als Rückzugsbereiche konzipiert, das heißt, sie sind optisch und schallschutztechnisch von den anderen Wohnbereichen abgetrennt.
Maßgebliche Untersuchungen über aktuelle Änderungen im Verhalten der Menschen sowie davon abgeleitete Zukunftsprognosen ergeben einen steigenden Wunsch nach Flexibilität: Umgelegt auf die Wohnungsplanung bedeutet das, dass – wo immer machbar – für geplante Nutzungen von Räumen auch Alternativen mitgedacht und vorgesorgt sind; so können aus einem großen Kinderzimmer durch Raumteiler deren zwei werden; statt des Kinderzimmers ist auch eine Nutzung als Büro-/Arbeitszimmer möglich.
Die Zunahme von Allergien in der Bevölkerung ist allgemein bekannt. Die Ursachen dafür sind vielfältiger Natur. Bestandteile von Lösungsmitteln, Staub und dgl. spielen jedenfalls eine gewichtige Rolle. Daher wird bei der Wahl der Materialien, insbesondere der Anstriche und Oberflächenbehandlungsmittel auf allergenfreie Varianten geachtet. Die Heizkörper sind beispielsweise als Plattenheizkörper ausgeführt, wodurch Ansammlungen von Hausstaub leicht vermieden werden können.
Die Terrassen, Pawlatschengänge, Balkone, Dachgärten sowie der Innenhof sind technisch zur gärtnerischen Begrünung vorbereitet (Tropfbewässerung, z.T. mit Feuchtigkeitssteuerung). Das steigende Bedürfnis vieler Menschen nach Sicherheit ist evident. Ihm wird Sorge
getragen durch Zugangsschutz im Bereich des Haupttores und der Stiegenhäuser, Sicherung der Lifte, mit Bewegungsmeldern gesteuertes Hof- und Stiegenhauslicht, Videoüberwachung in den zentralen öffentlichen Bereichen sowie einbruchhemmende Ausführung der Wohnungseingangstüren.
Video der Schlossquadrat Story
Der folgende Film dokumentiert die einzelnen Etappen des Baugeschehens, er wurde von Michael Gigerl (er heißt jetzt Wanits) und Michael Schumpelt gestaltet und ist sehenswert:
Im September 2007 war es dann so weit: Das Haus wurde von Weinpfarrer Hans Denk feierlich eingeweiht:
So sah die Musterwohnung aus, die als erstes fertig gestellt wurde, um sie Schaulustigen herzeigen zu können:
Nachstehend das Foto von einer großen Wohneinheit im Dachgeschoß:
Im November 2007 wurde im Haus Margaretenplatz 2 die Trattoria Margareta eröffnet:
In einer Vitrine ums Eck vom Eingang in die Trattoria Margareta ist eine Tafel zur Erinnerung an die wechselvolle Geschichte des Hauses zu sehen: