Vereinsmeier

Josef Bitzinger und Walter Kutscher (v.r.n.l) bei der Übernahme der Leitungsfunktion im Wiener Sommelierverein vom scheidenden Obmann Stefan M. Gergely (2006).

Inhalt:

  • Gelingen sollte im Verein, was besser geht, als wenn allein
  • 1975: Studentenvertretung
  • 1978: Ernährungsvereine
  • 1992: Club de la Sommellerie
  • 2003: Wiener Sommelierverein
  • 20 Jahre Verkostung von Edelbränden beim Verein Destillata
  • 2000 – 2015: Vereine für die Nahversorgung in Margareten

Gelingen sollte im Verein,
was besser geht, als wenn allein.

Vereine fördern das freiwillige Engagement für gemeinsame Interessen. Manche schütteln zwar den Kopf über die je hunderttausend Präsidenten, Vizepräsidenten, Schriftführer und Kassiere, die sich in ebenso vielen Vereinen in Österreich angeblich wichtig machen.

Aber die im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger verankerte Freiheit, Vereine zu bilden, ist dennoch eine große Errungenschaft der sogenannten Dezemberverfassung der K.u.K. Monarchie aus dem Jahr 1867 (sic).

1975: Studentenvertretung

In den 1970-er Jahre wurden im Zuge der Universitätsreform Studienkommissionen eingerichtet, die zu einem Drittel von Mandataren der sogenannten Studienrichtungsvertretung besetzt waren. Die Studentenvertreter sind zwar formal nicht als Vereine organisiert, aber ihre Arbeit schien für mich damals nicht weit weg von einer Vereinstätigkeit – während des Studiums der Chemie verwendete ich viel Zeit und Engagement dafür (siehe die Kapitel „Chemiker“ und „Aufmüpfiger“).

1978: Ernährungsvereine

Während meiner Anstellung in der Bundeswirtschaftskammer war ich in der seit langem etablierten Österreichischen Gesellschaft für Ernährung tätig. Sie widmete sich fachlichen Themen, gab eine Zeitschrift heraus und veranstaltete Tagungen und Symposien (siehe den Beitrag „Kämmerer“).

Darüber hinaus war im Umfeld des Nahrungsmittelverbandes auch eine Gesellschaft für zeitgemäße Ernährung als Verein aktiv, die ich gemeinsam mit Gertrud Fitzner, Obfrau des Verbands der Diätassistentinnen, initiierte und betreute.

1993: Club de la Sommellerie

Mein Dasein als Wirt rückte ab 1990 Weine und Destillate in den Fokus. Im Jahr 1993 kamen Kontakte mit Rudolf Kellner vom damals renommierten Restaurant Altwienerhof zustande.

Kellner war führendes Mitglied im Verein „Club de la Sommellerie“, den es schon seit einigen Jahren gab. Mit dabei waren ursprünglich Adi Werner vom Arlberg Hospiz, Rudolf Kellner und Heinz Reitbauer senior vom Wiener Steirereck. Der Club war als Verein konstituiert und bei der internationalen Vereinigung A.S.I. als Vertreter Österreichs akkreditiert (siehe https://asi.info).

Patron Kellner ersuchte mich, den Club de la Sommellerie besser zu organisieren und so war ich bis 1995 der Obmann des Vereins. In diese Zeit fällt die Herausgabe des ersten österreichischen Sommelier-Guides (1994), die Organisation der österreichischen Ausscheidung für die Sommelier-WM in Japan (1995) und die Vorbereitung für die Sommelier-WM, die 1998 in Wien stattfinden sollte.

Im Jahr 1994 reisten Kellner und ich gemeinsam mit einer kleinen Reisegruppe von fachlich Interessierten nach Kalifornien, um eine Tagung der A.S.I. zu besuchen. Dort erfolgte nach meiner Erinnerung auch der Zuschlag für die WM der Sommeliers 1998 in Wien.

Rudolf Kellner (Altwienerhof) und Stefan Gergely im Lokal Postrio des gebürtigen Österreichers Wolfgang Puck in San Francisco (1994).

Club de la Sommellerie

Der genannte Club war bei vielen angestellten Sommeliers nicht besonders beliebt, weil in ihm vorwiegend die Chefs renommierter Restaurants vertreten, aber keine Mitarbeiter mit dabei waren, die ja für die Betreuung am Tisch des Gastes mit guten Getränken zu sorgen hatten.

Vor diesem Hintergrund war im Jahr 1991 der Wiener Sommelierverein entstanden. Der Verein wollte auf aktive und geschulte Weinkellner als Mitglieder setzen.

2003: Wiener Sommelierverein

Ich gehörte zwar zur „Wirte-Fraktion“, aber ich war (und bin) der Meinung, dass die (angestellten) Sommeliers gute Argumente für eine eigene Vertretung hatten und haben und trat daher dem Wiener Sommelierverein zuerst nur als Mitglied bei.

Im Jahr 2003 übernahm ich die Funktion des Obmanns für ein paar Jahre, gemeinsam mit dem sehr engagierten und gut bekannten Weinexperten Dr. Walter Kutscher als Vize.

WSOV

2003 wurde zuerst eine Studie über Wein und das Trinkverhalten von Lokalgästen erstellt.

Ergebnisbericht Wein

Es startete der Versuch für einen neuen Ausbildungsgang: Neben dem anspruchsvollen Diplomsommelier sollte es eine „abgespeckte“ Version geben, die „Wiener Sommelierkurs “ genannt wurde. Peter Pühringer, Eigentümer des neu sanierten Palais Coburg in der Wiener Innenstadt, unterstützte die Initiative und stellte Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung.

Wiener Sommelierkurs

Außerdem entwickelte ich gemeinsam mit dem Chemiker Dr. Georg Michael Bauer die „Aromaschule“, ein Set von Riechproben, um Weinfehler erkennen und zuordnen zu lernen.

In der Praxis der Arbeit als Sommelier kam es zunehmend häufig vor, dass ein Wein vom Gast als fehlerhaft bezeichnet wurde. Für die Mitarbeiter im Service war es daher wichtig, sich mit Weinfehlern gut auszukennen.

Aromaschule Flyer Weinfehler

Nach einer Funktionsperiode schied ich als Obmann aus dem Wiener Sommelierverein aus. Josef Bitzinger vom Augustinerkeller wurde zum Nachfolger gewählt; Walter Kutscher setzte mit Erfolg seine Organisation von Verkostungen und Weinreisen und mit aufwendiger Vernetzungsarbeit fort.

20 Jahre Verkostung von Edelbränden beim Verein Destillata

Die Auseinandersetzung mit hochgeistigen Getränken beschäftigte mich, seit ich Anfang der 1990-er Jahre Mitglied der Jury für die Schnapsverkostung Destillata wurde. Wolfram Ortner hatte sie in Bad Kleinkirchheim gegründet. Nach den ersten Anfängen übersiedelte sie zur Messe Wien und wurde danach von Wolfgang Lukas verantwortlich betreut. Sie ist als Verein konstituiert.

Die Oberjury der Destillata mit Alfred Waschl (Wiener Messe) bei einer Pressekonferenz (2000).

 

2000 – 2015: Für die Nahversorgung in Wien-Margareten

Den vergleichsweise größten Aufwand als „Vereinsmeier“ beanspruchten die Margaretner Geschäftsstraßenvereine. Der erste davon war der Verein der Kaufleute um den Margaretenplatz, er wurde damals von Gertrud Klaric vom Handelsgeschäft „Midinette“ organisiert; ich kam erst später dazu.

Über lange Zeit bildeten Klaric, Christian Klasan von der gleichnamigen Werbeagentur und ich ein effizientes Team, das mehr auf die Beine brachte als die meisten ähnlich organisierten Vereine in anderen Wiener Bezirken.

Im Kern ging und geht es dabei um die Förderung der Nahversorgung, um den Trafikanten ebenso wie ums Möbelhaus, um Friseur, Wirt und Krämer. Traditionsbewusste Geschäftsleute und junge Newcomer machen mit, und alle eint das Bestreben, trotz der großen Shoppingzentren an der Peripherie der Stadt im regionalen Umfeld überleben und gedeihen zu können.

Im Bemühen um die Nahversorgung ging es mir darum, die  Identität jedes einzelnen Grätzels spürbar zu machen, um ein lebenswertes Umfeld für alle, die hier wohnen und arbeiten, und um das Engagement für gemeinsame Ziele. Sie sind erreicht, wenn immer mehr Leute sagen: „Hier möchte ich gerne leben“.

So entstand um die Jahrtausendwende die Idee der „5er City“ als Kristallisationspunkt für den Margaretenplatz und sein Umfeld.

Im Jahr 2001 erschien ein Buch mit dem Titel „Geschichten aus Margareten“, das vom Geschäftsstraßenverein organisiert wurde.

Vor dem Muttertag fand über viele Jahre hinweg ein Kakteenfest statt. Es gab ferner Foto- und Kreativwettbewerbe, Flohmärkte und jeden Donnerstag einen Bauernmarkt.

Die gute Stimmung am Margaretenplatz war nicht nur fürs Foto:

Festlich-fröhlich am Margaretenplatz (v.r.n.l.: Bezirksvorsteher Kurt Wimmer, Magier Tony Rei, Obfrau Gertrd Klaric, Kammerpräsident Walter Nettig und Stefan Gergely).

Aber nicht wenige Margaretner Geschäftsleute bemängelten, dass sich die Aktionen auf den Margaretenplatz beschränkten. Warum finde nichts in der Kettenbrückengasse oder in der Arbeitergasse statt? So wurden nach und nach drei weitere Vereine in Margareten gegründet.

Höhepunkte im Vereinsgeschehen waren Anfang der 2010-er Jahre ein Krimi „Schön tot“ und ein Kinderbuch „Unterirdisch schön“, die Orte der Handlung waren rund um den Margaretenplatz  angesiedelt. Im Falter-Verlag erschien außerdem eine reich bebilderte „Entdeckungsreise durch Margareten“.

Mehrmals im Jahr informiert das Magazin „Five is Life“ über Events und Neueröffnungen in den Grätzeln des innerstädtischen Bezirks.

Am 1. April 2015 feierte ich meinen Pensionsantritt am Würstelstand an der Albertina und fand, dass es Zeit für einen „Schichtwechsel“ ist, sowohl in den gastronomischen Lokalen im Schlossquadrat als auch in den Geschäftsstraßenvereinen. Den letzteren bleibe ich einstweilen noch als Rechnungsprüfer erhalten.

Da die Förderung für Geschäftsstraßen durch die Stadt Wien mit dem Jahr 2023 aus unerfindlichen Gründen eingestellt wurde, ist das weitere Schicksal der lokalen Initiativen derzeit (2024) ungewiss.